Heinrich-Böll-Gesamtschule, Bochum
Informationen
Ort
Heinrich-Böll-Gesamtschule, Bochum (vorm. Freiherr-vom-Stein-Schule), Agnesstraße 33, 44791 Bochum Installation 1957 Abb. Fotos 1957 (© Nachlass Egon Becker; Stadtarchiv Bochum) Fotos 2021 (© Jens Kirchner) Gattung Lichtinstallation / Metall, Leuchtstoffröhre, Strahler Höhe: ca. 8,00 m Beschreibung Vielteilige Licht- und Forminstallation mit 4 Hauptelementen: Deckenkonstruktion und 3 Leuchtelemente, durch gewundene Kabel verbunden, einzelne Leuchtkugeln sind vereinzelt integriert Denkmal Denkmalliste der Stadt Bochum: A 518 ZUM OBJEKT...
Egon Becker war 1953 mit dem Künstler Ignatius Geitel (1913 – 1985) Gründungsmitglied der Künstlergruppe „Hellweg“, die sich wie das Bauhaus für das Zusammenwirken aller am Bau tätigen Künstler, Planer und Handwerker einsetzte. Mit Geitel gemeinsam konnte er dieses Ziel in dem 1956 bis 1958 errichteten Mädchen-Gymnasium Freiherr-vom-Stein-Schule eindrucksvoll umsetzen, der heutigen Heinrich-Böll-Gesamtschule. Während Geitel das Foyer durch eine große Glaswand prägte, schuf Becker im Auge des elegant geschwungenen rückwärtigen Treppenhauses, der zweiten Kommunikationsachse des Hauses, ein großes Mobile. Das frei hängende, bunte, formenreiche Mobile wirkt auf den ersten Blick als rein spielerische Zierde. Funktional ist es aber ein Lichtobjekt als mehrstöckige Pendelleuchte. Die Konstruktion besteht aus vier Körpern in den typischen gerundet-asymmetrischen Formen der 1950er-Jahre. Eine Deckenplatte aus Edelstahlrohren hält trotz ihrer lichten Transparenz das Mobile über Drahtseile zuverlässig in der Schwebe. Eine oberste weiße Platte wird von farbigen Stäben durchdrungen. Auf einer horizontalen Platte darunter scheint ein Igel zu krabbeln. Die untere, wie mit Riesen-Pastillen besetzte Platte gibt durch ihre dunkle Farbe dem Ganzen Gewicht. Horizontale und waagerechte Körper wechseln sich ab. Wie Sonne, Mond und Sterne flankieren Bauhaus-Kugelleuchten andere Leuchtkörper auf den Platten. Die wohl aus pragmatischen Gründen statische Leuchte wird zum Mobile, wenn sie auf der Wendeltreppe umkreist wird. Sie bietet dann in der Bewegung ständig neue und ausgewogene Untersichten, Aufsichten, Perspektiven und Farbspiele. Das war sicherlich schon 1956 für die 12- bis 21-jährigen Schülerinnen attraktiv. Dass der Bauhaus-Schüler Becker hier die Farben- und Formenlehre seines Lehrers Wassily Kandinsky aufnahm und fortentwickelte, liegt auf der Hand. Die freiplastische Arbeit brach im Bochum der Nachkriegszeit allerdings mit allen Konventionen. Das gewagte innenarchitektonische Experiment mit seinen gegenstandslosen Formen war in konservativen Kreisen Bochums als „Picasso-Kunst“ verschrien - „entartet“ durfte man es nicht mehr nennen - und wurde in einer Stellungnahme im Rat der Stadt als gefährlich unmoralisch eingestuft. Man befürchtete, die Seelen der jungen Mädchen könnten durch den Anblick Schaden leiden. Der Schaden ist nicht eingetreten. Bunt, abwechslungsreich und strahlend belebt das Werk bis heute die Phantasie und den Alltag der Schülerschaft in Bochums ehrgeizig gestaltetem ersten Nachkriegsgymnasium. Darüber hinaus ist der kinetische Beleuchtungskörper in Deutschland ein in seiner Art zumindest seltenes, wenn nicht einzigartiges Kunstwerk. [Dr. Hans H. Hanke, 2021] |